Dienstag, 12. November 2013

Kelten motivieren

Mich zumindest fast immer, zum Schreiben, zum Wandern, zum Lesen, manchmal auch zum Nähen oder Kochen. Im Moment motiviert mich genau genommen eine Rezension, die ich seit Monaten ängstlich abgewartet habe. Die Histo-Couch hat sich meiner Bücher angenommen und zu meiner Überraschung zuerst Anation rezensiert anstatt den Berg der Kelten. Dafür, dass ein historischer Fantasy-Roman nicht so ganz in das Schema des klassischen historischen Romans passt und vielleicht eben auch nicht jeden Leser dieser Zielgruppe anspricht, bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Aber lest selbst: Anation auf der Histo-Couch.

Das erinnert mich obendrein daran, dass ich dringend noch mal vor dem ersten Schnee nach Erlensee muss. Was ich da will? Oh, da werden nur gerade Keltengräber aus der Zeit des Glauberger Fürsten ausgegraben, könnte man als Außenstehender fast für Wetterauer Alltag halten...  


(AstridrastetschonseitTagenausüberdieseNachricht,geradebeidemschönenWander-undKeltensuch-Wetter, hatabernochnichtinErfahrunggebracht,wassiewannundwotatsächlichnochzuGesichtbekommt)

Demnächst hoffentlich mehr dazu an dieser Stelle.

Montag, 4. November 2013

747mal Kalter Markt: Vom Klimawandel und der guten alten Zeit

Endlich Herbst! Auch wenn es regnet und nicht friert! Eigentlich wollte ich euch hier einen kleinen Bericht über den diesjährigen Kalten Markt in Ortenberg liefern, ein großes Volksfest, dem trotz Wetterau schon ein bisschen Vogelsberger Aroma anhaftet. Als Bloggerneuling bin ich dann aber unweigerlich mit der Frage konfrontiert worden: Was kann ich euch von diesem Markt erzählen, diesem herrlich gemütlichen, unspektakulären Fest, das ihr lesen wollt? Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es genau darum geht: Der Kalte Markt ist nichts besonderes und genau das macht ihn so ungewöhnlich. Denn er fasziniert trotzdem. Ich war also bemüht, diese Erfahrung in meine Worte zu packen. Das Ergebnis auf diese schwierige Frage könnt ihr jetzt lesen. 

Wann ess Juhr seim Enn Zougitt, 
 kahn Schdomp mieh uff de Felder schditt,
eann de Loft die Roawe fläije,
Keann als geann de Houste kräije,
wann die Weiwer beim Erwache
schnäll eam Owe Feuer mache,
unn die Menner inner fluche
ihrn ahle woame Wamst sich suche
unn ess Wärrer iwerzwerch,
dann ess Mährt enn Otteberch.

(geklaut auf http://www.kalter-markt.de/)


Ja, das waren noch Zeiten! Es war das Geburtsjahr des späteren Grafen Ludwig II. von Isenburg-Büdingen, in dem zum ersten Mal in Ortenberg ein großer Pferdemarkt in den Stadtrechnungen auftauchte. Nur hundert Jahre später folgte ein verregneter Sommer dem anderen, die Winter waren kalt, der Wein sauer, der Schnee hoch. Das waren noch Zeiten!

Wer jetzt glaubt, dass mir Erkältungsmedikamente auf die Wahrnehmung geschlagen haben, braucht sich keine Sorgen machen. Letzte Woche ging das größte Volksfest Oberhessens zu Ende: Ortenbergs Kalter Markt, ein großer Jahrmarkt voll Glühwein, Bratwurst, Fahrgeschäften und Weihnachtsvorfreude, Ramsch und Lebkuchenherzen, Dörflichkeit ohne (nervigen) Kitsch. Jedes Jahr wird er am Wochenende gefeiert, an dem die Uhren auf Winterzeit umgestellt werden. Es hat fast Tradition mit einem Heißgetränk in der Hand durch die Kälte zu laufen, zu warten, bis die taub gefrorenen Zehen warm werden und sich zu freuen, dass es bald wieder zwei Uhr statt drei Uhr nachts ist. Am Kalten Markt riecht die Luft herrlich nach Herbst, der erste Frost hat sich längst auf die Wiesen gelegt und den Halloweenlaternen ein silbernes Make-Up übergezogen. 

Dieses Jahr war mancher Kürbis schon extra gruselig anzusehen - zusammengeschrumpelt, weil faulig. Bei zweistelligen Temperaturen war Abends auf dem Markt kaum der Atem zu sehen, stattdessen regnete es zwischendurch immer wieder in Strömen. So kommt Wintervorfreude auf! Wissenschaftler mögen es bestreiten, aber es riecht schon ein bisschen danach, als hätte der Klimawandel auch auf dem Kalten Markt zugeschlagen. Es wäre nicht das erste Mal in den vergangenen Jahren. Bei dem Gedanken daran wird mir allerdings bang um ein ganz anderes, noch viel wichtigeres Fest: Weihnachten. Das ist ja eine ganz andere Baustelle, verhasst, geliebt, vom Kommerz überfrachtet. Das steht hier genau genommen kaum zur Debatte. Entscheidend ist, dass das klassische Weihnachten für mich nicht weiß, aber wenigstens kalt sein sollte. Entsprechend graust es mir bei der Erinnerung an das vergangene Fest mit seinen 20°C-Rekordtemperaturen. Wer jedoch echter Weihnachtsliebhaber ist, dem sollte das Wetter die Feierlaune nicht verderben. Und im Grunde ist es mit dem Kalten Markt genauso.



Ich liebe den Kalten Markt! Ich liebe ihn so sehr, weil es an ihm so wenig nach heutiger Ansicht Besonderes gibt, das schon das milde Herbstwetter auffällt. 1422 ist der Kalte Markt zum ersten Mal in Ortenberg dokumentiert worden (wobei im Internet noch andere Jahreszahlen kursieren, ich lasse mich gern eines Besseren belehren), siebzig Jahre vor der Entdeckung Amerikas und jenseits aller Kürbislaternen. 747mal ist jedenfalls bisher nach Angaben der Veranstalter gefeiert worden und immer noch ein ländlicher Markt, der das gesamte Stadtzentrum Ortenbergs für fünf Tage einnimmt. Abgesehen von seinem Alter und seiner Größe gibt es dort kaum etwas, das ihn von anderen Märkten abhebt. Es ist ein Markt regionaler Produkte, Handwerk, Fastfood und Getränken. Über allen Ständen liegt die vorwinterliche Stimmung, dass man sich endlich ehrlich über den Lebkuchen in den Supermärkten freuen darf. Es vergehen nur noch wenige Tage, bis die erste Novemberwoche die Saison des Plätzchenbackens einläutet und schneller als gedacht auf die Adventszeit die Wintersonnenwende folgt und endlich die kurzen Tage wieder länger werden.

Der Sonnenwende wird mal wohl auch im 15. Jahrhundert auf dem Markt schon entgegen gefiebert haben. Ca. hundert Jahre nach der ersten Dokumentation des Kalten Marktes setzte die sogenannte "Kleine Eiszeit" in Europa ein und bescherte den Menschen nicht nur Missernten, sondern lange Winter mit wenig Essen und - besonders in der Region um Büdingen - den Hexenwahn in allen seinen Facetten. Wenn man mal davon absieht, dass der Apfelwein in dieser Zeit auf Grund der schlechten Qualität des Weins seinen ersten großen Siegeszug in Hessen antrat (zumindest nachdem die Römer sich daran versucht hatten), hatte diese Zeit viel zu bieten, das ich ungern am eigenen Leib erlebt hätte. 

Der Klimawandel heute belastet bisher zum Glück nur den Appetit auf Glühwein und Maroni auf dem Kalten Markt. Ich sollte mich also nicht beschweren. Und auch, wenn er mir ein klein bisschen auf die Wintervorfreude geschlagen hat, war der Kalte Markt dieses Jahr so schön wie jedes Jahr. Genau deswegen - es ist immer das gleiche, sehr lange schon, und das ist gut so: Eine Ahnung, dass das Jahr zuende geht. Trotz Regenwetter waren zwischen tausenden Gästen auch Handwerkskunst und Landmaschinen zu bestaunen. Zwischen Ramsch, Weihnachtsflitter und Fahrgeschäften gibt es immer noch Honig, Werkzeug, Küchengerät und Lebkuchen ohne Zuckeraufschrift zu kaufen. Es wird Spießbraten gebraten und frankfurter Bier lokaler Brauereien ausgeschenkt. Was andere als kleinbürgerliches Spießertum verschreien, ist das, was ich mancherorts vermisse: Beständigkeit, egal wie oft sie um schöne (und manchmal auch unnötige) Details erweitert oder modernisiert wird. 


Auf dem Kalten Markt kriegt man sogar Lebkuchen, die schmecken und nicht nur in Zuckerguss ersticken :)


Der Kalte Markt läutet für mich die schönste Zeit im Jahr ein, die Winterzeit, die noch ein klein wenig stiller und stimmungsvoller ist als der Rest des Jahres. Halloween passt im Grunde genommen ebenfalls sehr gut in diese Zeit voller Traditionen, wurde mit dem keltischen Samain doch das Ende der Ernte, die Entwöhnung des Jungviehs und damit der Beginn der Winterruhe im landwirtschaftlichen Jahr gefeiert (die Eigenschaft des Festes als Totenfest kommt natürlich ebenfalls hinzu). Dass Samain in erster Linie ein irisches Fest aus dem irischen Ackerbauzyklus ist, sollte man dabei im Hinterkopf behalten, wenn man es in Deutschland feiert. Aber mittlerweile gehört ja auch das Mobile Irish-Pub auf dem Kalten Markt zum heißgeliebten Inventar.

Ich für meinen Teil habe gedanklich die Vorweihnachtszeit eingeläutet - ganz klassisch mit Plätzchenbacken. Und ob ihr es glaubt oder nicht, ich genieße diese Tage, die so wie das diesjährige Halloween ja auch stimmungsvoll neblig sein können. Und ihr? Ihr habt nach diesem Post jetzt doch die Erkältungsmedikamente in Verdacht, oder? Stimmungsvoll? Der Herbst? Ja, wirklich! Wer von euch Gelegenheit hat, nächstes Jahr den Kalten Markt zu besuchen, kann sich gern ein eigenes Bild von dieser Veranstaltung machen, auf der einem der Herbst immer noch wie Herbst und vor allem Weihnachten wie Weihnachten vorkommt - noch zwei Monate Zeit zum Vorbereiten, obwohl schon seit August Lebkuchen im Supermarkt verkauft werden. Vielleicht hat dieser Post hier doch gereicht, euch auch ein bisschen in Stimmung zu bringen. Marktstimmung. Winterstimmung. Klimawandelstimmung, damit es endlich nicht mehr so kalt wird und die Ernten weiter gut bleiben? Ich für meinen Teil genieße jedenfalls den neu begonnenen November. Und wenn es dieses Jahr wieder 20°C an Weihnachten gibt, hole ich trotzdem die Glühweintassen aus dem Schrank. Daraus kann man notfalls auch Caipirinha trinken.

 Am Ende habe ich sogar eine Rote-Liste-Art in der Zuchtversion auf dem Markt gefunden. Mal sehen, ob sie sich bei uns wohlfühlt.