Samstag, 15. März 2014

Zu Besuch in der Kurpfalz: Heidelberger Ringwälle und ein Merkur-Tempel

Ja, ich weiß, Wetterauer Kelten hab ich gesagt. Allerdings gibt es auch jenseits der Grenzen unserers schönsten Landstriches aller Zeiten beeindruckende Keltenfestungen. Ich muss aber gestehen, dass ich sie in Heidelberg nicht unbedingt vermutet hätte. Erst Recht nicht, als ich unterhalb des Heidelberger Schlosses fast eine Horde asiatischer Touristen über den Haufen gefahren hätte. Aber von vorn:

Eigentlich wollte ich Bernsteinschmuck kaufen. In Heidelberg, in der Innenstadt, wo es dafür einen ganzen Laden gibt. Eine Freundin, die dann aber immer wieder von Keltenfestungen erzählte, brachte mich auf die Idee, direkt in der Heidelberger Umgebung nach Fundorten zu suchen - und ich wurde fündig.

Blick vom Heiligenberg: Die Heidelberger Altstadt mit Kirche, Schloss und Neckar


Den Heiligenberg kennt in Heidelberg wahrscheinlich jeder, mir war die 440 Meter ü. NN. gelegene Anhöhe, zu deren Fuß der Neckar entlangfließt, kein Begriff. Dabei sind die ersten archäologischen Funde bereits der Jungsteinzeit zuzuordnen. Neben Spuren aus der Urnenfelderzeit wurden dann schließlich mit den Kelten zwei mächtige Ringwälle errichtet, die schon zwischen dem 5. und 4. Jahrhundert v.Chr. rund 50 ha Fläche einschlossen. Selbst auf dem steilen Hang zwischen innerem und äußerem Wall werden kleine Abflachungen als Wohnpodien gedeutet, womöglich für Schmiede, die Roheisenbarren herstellten?

Die Fundsituation auf dem Heiligenberg ist leider dünn. Noch dünner, seit in der braunsten Periode der jüngere Zeitgeschichte auf den keltischen Fundstätten eine germanische Thingstätte vermutet wurde. Anstatt die vorhandenen Funde auszugraben, zu katalogisieren und zu erforschen haben die Nationalsozialisten die "Thingstätte" stattdessen nach ihrer Vorstellung wieder aufgebaut: Goebbels persönlich eröffnete das wuchtige Amphitheater aus Stein und Beton unter den Augen von rund 20000 Besuchern, die danach in dieser Größenordnung in der Anlage nie wieder zusammen kamen. Viele keltische Funde, die bei dem Bau zu Tage kamen, wurden dagegen planiert und sind verloren.

Blick vom inneren keltischen Wallring zum Äußeren: Direkt auf dem inneren Wallring läuft der Kelten-Wanderweg entlang.

Über die Kelten vom Heiligenberg ist entsprechend wenig bekannt - auch, da Nord- und Süd-Teil des Plateaus schon viele Jahrhunderte früher nach Ende der keltischen Besiedelung anderweitiger Nutzung unterlagen. Wir sprechen hier von einem römischen Tempelbezirk und mittelalterlichen Klöstern, doch dazu später mehr. Gefunden auf dem Heiligenberg wurde aus der Zeit der Kelten dagegen ein Haufen Scherben - so wie fast überall - aber auch unter anderem Beschläge von mindestens zwei keltischen Streitwägen, wie sie laut den antiken Autoren vor allem dem keltischen "Kriegeradel" vorbehalten waren. Einen mächtigen Herrscher auf dem Heiligenberg zu vermuten, macht Sinn. Nicht die Erzgewinnung wird Grundlage seiner Macht gewesen sein, sondern die Kontrolle über den Neckar, der am Fuß des Hügels entlangfließt. Forscher vermuten in der Umgebung von Heidelberg mächtige Prunkgräber wie auf dem Glauberg - auch deshalb, weil ein "Verwandter", könnte man sagen, der Keltenfürststatue gefunden wurde: Ihn hier, das Fragment einer Sandsteinstatue mit (Mistel-)Blattkrone. Anders als beim Glauberger Fürsten wurde hier vermutet, der Kopf könnte auf einem reich gestalteten Sockel gestanden haben, dessen Rekonstruktion ich mir nach dem Besuch auf dem Heiligenberg im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg angesehen habe.

Bisher fehlen von ihm jedoch noch einige Spuren. Viele von ihnen sind im Laufe der Jahrhunderte verwischt worden, überbaut und neu verarbeitet von anderen Siedlern, die die Besonderheit des Ortes auch nach den Kelten noch spürten. Die Römer waren die ersten, die im Norden des Plateaus mehrere Tempel errichteten. Im Mittelalter ist dieser wieder von einem mächtigen Kloster überbaut worden. Die Tempelruinen sind jedoch ausgegraben worden. Heute kann man die Fundamente von einem der Gebäude auf dem Boden des Michaelisklosters erkennen.

Fundament des Merkur-Tempels im Michaeliskloster auf dem Heiligenberg


Juptiter wurde hier verehrt und Merkur, jedoch in einer regionale Ausprägung. Der Mercurius Cimbrianus gibt den Forschern heute viele Rätsel auf. Da die Römer in ihrer Interpretio Romana versuchten, einheimischen Göttern eine ihnen vertraute Gottheit zuzuordnen, können wir die "Aufgaben" der Götter heute nachvollziehen. Merkur als Gott des Lichtes, der Kunst und Poesie, aber auch des Handels und Wohlstandes wird nach dem heutigen Stand der Diskussion am ehesten Göttervater Wodan zugeordnet (der im ersten Jahrhundert n.Chr. wahrscheinlich noch gar nicht als DER GÖTTERVATER der Edda wahrgenommen wurde) bzw. Lokalgottheiten mit ähnlichen "Aufgaben". Das allein ist spannend genug. Noch spannender macht die Inschrift auf dem Weihestein des Mercurius Cimbrianus jedoch der Namenszusatz "Cimbrianus" - "Kimber".

Die Kimbern sind die ersten Germanen, die zu zehn- oder auch hunderttausenden ihre Heimat in Dänemark und Norddeutschland verließen und - durch historische Quellen gesichert - bis ins Imperium Romanum liefen, um dort neue Siedlungen zu gründen. Der Grund ihres Auszuges ist unsicher, Sturmfluten und/oder Hungersnöte werden die Ursache gewesen sein. Die Römer schlugen ihr Eindringen jedoch gewaltsam nieder, ihre Reise blieb erfolglos. Das alles spielt sich zeitgleich mit den Geschehen in meinen Romanen Anation und Völva ab, zwischen 120 v.Chr. und dem Anfang des 1.Jh. v.Chr.. Anzunehmen ist, dass ein Teil der Kimbern nach der Abwehr der Römer wieder den Weg nach Norden aufnahmen. In den Weiten des damals noch keltisch und germanisch geprägten Deutschlandes verliert sich ihre Spur.

Und in Heidelberg taucht sie wieder auf, in dieser Inschrift? Erstellt wurde sie frühestens in der Mitte des 2.Jh.n.Chr., viele Jahre nach dem Untergang oder der Vertreibung der Kimbern aus dem römischen Reich. Womöglich haben sich einige Sippen der Kimbern im Heidelberger Raum niedergelassen. Wir wissen es nicht. Spannend bleibt trotzdem, was die Archäologen unter den Ruinen des Mittelalters oder am Fuß des Heiligenberges wohl noch zu Tage fördern werden. Immerhin ist die Fundsituation im Bereich des römischen Totenkultus auf dem Stadtgebiet Heidelberg überragend. Unzählige römische Gräber wurden jenseits der Grenzen der einstigen Römerstadt ausgegraben, Grabsteine, Körpergräber, Grabbeigaben. Im Kurpfälzischen Museum können die beeindruckende Funde besichtigt werden - und das habe ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Einziges Hindernis: Das Museum liegt direkt in der Altstadt an der Einkaufsstraße. Selbst an Sonntagen strömen Touristenmassen durch diese Straße, dass ich mich ein wenig an ein Festival erinnert gefühlt habe. Der Heiligenberg gehört für alle von Außerhalb wohl eher zu den Ausflugszielen zweiten Ranges, um vieles ruhiger ist es dort am Vormittag gewesen. Doch ich habe nicht nur einen ausländischen Touristen beobachten können, der sich auch für die keltischen Funde interessierte. Einen Ausflug ist der Berg auf jeden Fall wert, und wenn es nur um des wunderbaren Ausblicks oder der Maultaschen wegen ist, die man in dem Ausflugslokal auf dem Hügel probieren kann.

1 Kommentar:

  1. Oh wie spannend, dass es dort so eine ähnliche Keltenfürstenstatue gab! Die Distanz ist ja erheblich für die damalige Art der Fortbewegung.

    AntwortenLöschen